Liebe Besucherin, lieber Besucher,


um auf dieser Web-Seite ein theologisches Profil zu schildern, greife ich auf die Form des Briefes zurück, nicht jedoch auf die Darstellung als Manifest, Programm oder Projekt. Brief ist adressierte Rede. Er rechnet mit Adressatinnen und Adressaten und wartet auf eine Antwort. Während das Manifest unmittelbar wirken will, öffnet sich der Brief auf eine unsichere Zukunft hin. Es handelt sich um eine schwache Form des Schreibens. 


Religion und Gesellschaft

Den Ausgangspunkt meiner Überlegungen bildet die Verschränkung von Religion und Gesellschaft, die in ihren Transformationsprozessen aufeinander verwiesen sind. Theologisch könnte man diese Grundthese mit dem Motiv der Inkarnation (der Fleischwerdung des göttlichen Logos in der Geschichte) untermauern. 

Gesellschaften lassen sich ohne Berücksichtigung des Phänomens Religion in seiner Komplexität und Ambivalenz weder in historischer noch in gegenwärtiger Perspektive betrachten. Umgekehrt gibt es keinen Blick auf Religion(en), der von ihrer gesellschaftlichen und geschichtlichen Situierung absehen könnte. Theologie kann niemals selbstgenügsam nur sie selbst sein. Sie ist nur in einem interdisziplinären Dialog möglich, der auch andere wissenschaftliche Disziplinen umfasst. Dabei hat sie einen wichtigen Platz im universitären Raum, wenn man Universität als Ort erfasst, an dem Gesellschaften sich ein Bewusstsein ihrer selbst geben. 


Theologie und Ästhetik

Ein besonders reichhaltiger Blick auf das Phänomen Religion ergibt sich aus ästhetischer Perspektive. Ästhetik steht dabei für eine Wahrnehmung der Wirklichkeit (aisthesis), welche diese nicht unter einen gegebenen Begriff zu ordnen vermag, sondern auf einen je neu sich in ihr anzeigenden Reichtum hin zu erschließen sucht. In besonderer Weise zeigt sich dieser Reichtum mit seinen mannigfaltigen Schattierungen in Kunst und Religion. 


Theologie und Kritik

Theologie muss einerseits als Selbstauslegung von Religion verstanden werden, die darum weiß, dass es niemals einen gänzlich äußerlichen unbeteiligten Standpunkt gibt, wenn man auf Phänomene blickt, welche den Menschen angehen. Andererseits bedeutet Theologie auch immer eine Form der Selbstkritik durch die Religion(en) selbst: Sie muss sich heute als Religions-, Gesellschafts-, Wissens- und Sprachkritik artikulieren. 


Melk / Wien, Oktober 2018